Michael Fehr

Das Museum als eine epistemologische Baustelle. Zur Präsentationsstrategie des Karl Ernst Osthaus-Museums.

Musealisierung – Museum
Die wesentliche Leistung der Musealisierung besteht darin, Wahrnehmung als ästhetische Wahrnehmung zu etablieren und zu sichern. Dies setzt für alle Dinge, die nicht, wie zum Beispiel Kunstwerke, als Wahrnehmungsgegenstände konzipiert wurden, in der Regel voraus, dass sie als 'Dinge an sich', also ohne unmittelbaren lebenspraktischen Bezug betrachtet und in diesem Status gehalten werden. Denn nur unter dieser Bedingung wird es möglich, das Ding zum Gegenstand einer eben alle lebenspraktischen Bezüge übersteigenden, mehrdimensionalen Reflexion zu machen. Ziel der Musealisierung ist also, Gegenstände anschaubar und über ihre Anschaubarkeit zu Semiophoren,[1] mithin Objekten zu machen, die etwas bedeuten: ein spezifisches Wissen in sich speichern.
Als eine besondere Form der Wahrnehmung setzt die Musealisierung nicht notwendig ein Gebäude voraus, sondern kann schon durch eine spezifische Rahmung innerhalb eines lebenspraktischen Zusammenhangs erreicht werden, mit deren Hilfe das Gerahmte von seinem Kontext isoliert betrachtet und dann gegebenenfalls auch physisch aus seinem Kontext herausgenommen werden kann.[2] Ein Museum ist im Sinne dieser Definition als ein 'fester Rahmen' zu verstehen, also als ein Gehäuse, in dem nicht nur Dinge als Anschauungsgegenstände vorgezeigt, sondern auch gesammelt werden. Ein Museum wird daher in dem Maße, wie seine Sammlungen wachsen, auch durch diese – im Sinne innerer Rahmungen – definiert.
Das Kunstmuseum ist ein Sonderfall unter den Museen, weil in ihm Objekte gesammelt und vorgezeigt werden, die vor allem als Anschauungsgegenstände konzipiert wurden und die deshalb – im Unterschied zu allen anderen Gegenständen - nicht auf das Museum als Ort ihrer ästhetischen Wahrnehmung angewiesen sind. Das Kunstmuseum hat daher – im Unterschied zu allen anderen Museen – primär nicht die Funktion, den Anschauungscharakter der in ihm versammelten Objekte zu etablieren, sondern kann, eben weil dieser mit den in ihm versammelten Objekten schon gegeben ist, die besondere Leistung der ästhetischen Wahrnehmung und sich selbst als ihren Ort bewusst und reflektierbar machen.
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[1] Vgl. Kryztof Pomian, Der Ursprung des Museums. Vom Sammeln, Berlin 1988
[2] Bisweilen reicht, wie die künstlerische Praxis zeigt, die Entfunktionalisierung eines Gegenstandes oder ein Schildchen an einem schon dysfunktionalen Objekt, um eine solche Rahmung zu definieren und die museale Wahrnehmung zu veranlassen.